Vor 50 Jahren rockten die "Doors" vor dem Römer und machten die Innenstadt unsicher (2024)

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Vor 50 Jahren rockten die "Doors" vor dem Römer und machten die Innenstadt unsicher (1)

Jim Morrissons Rockband "The Doors" hat nur zwei Konzerte in Deutschland gegeben. Wo? Na klar: in Frankfurt. Vor einem halben Jahrhundert stand sie auf dem Römerberg.

Seit Jahrzehnten kursieren Gerüchte über die dubiosen Umstände des Todes von „Doors“-Frontmann Jim Morrison: Tod nach Herzschlag in der Badewanne, so lautete der offizielle Polizeibericht über das Ableben Morrisons. Tod mit 27 Jahren am 3. Juli 1971 in einer Wohnung in der Pariser 17–19 Rue Beautreillis im vierten Arrondissem*nt. Eine richtige Autopsie gab es nicht. Bei der Beerdigung auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise wurde der Sarg nicht mehr geöffnet. Bis heute gilt diese Version.

Sam Bernett, ehemals Manager des Pariser Nachtclubs „Rock And Roll Circus“, fügte 2007 eine andere Variante hinzu: Laut Bernett sei Morrison an jenem Abend im Club gewesen, um Heroin für seine abhängige Lebensgefährtin Pamela Courson zu kaufen, habe selbst welches geschnupft und sei in einer Toilette an einer Überdosis verstorben. Um einen Skandal zu verhindern, hätten die beiden verantwortlichen Drogendealer Morrisons Leichnam in die Rue Beautreillis geschafft. Chef der beiden Heroinverteiler war Jean de Breteuil, zu jener Zeit mit Marianne Faithfull liiert – beide hielten sich ebenfalls in jener fatalen Nacht in Paris auf. Als Faithfull und de Breteuil von Morrisons Tod erfuhren, verschwanden sie eilig nach Casablanca.

Gespenstische Gestalt

Dass es um Morrison nicht gut stand, konnten im August 1970 beim letzten der drei Isle-Of-Wight-Festivals jene sehen, die nah genug an der Bühne saßen. Gegen zwei Uhr nachts enterten Jim Morrison, Keyboarder Ray Manzarek, Gitarrist Robby Krieger und Schlagzeuger John Densmore die Bühne, um sieben Songs zu spielen. Gespenstisch wirkte die Gestalt im roten Lichtschein: Vollbärtig, langhaarig, aufgedunsen, qualmte ein dunkel gekleideter Morrison Kette, wirkte jenseitig. Der Schöne war zum Biest mutiert, das sich auf dem Altar der Kunst opferte.

Ganz anders behielten die Frankfurter Morrison in Erinnerung. Es war der 12. September 1968, ein Donnerstag und sonnig-warmer Altweibersommer. Aus der London traf auf dem Frankfurter Flughafen eine Maschine mit vier fidel übernächtigten Gestalten ein, empfangen von unzähligen Fotografen, einer Handvoll Fans sowie Abordnungen der Konzertagentur Lippmann & Rau und der deutschen Plattenfirma. Morrison, erinnerten sich Augenzeugen, war nett, freundlich, scheu, liebenswert, attraktiv. Einerseits. Und zugleich mürrisch, launisch, geistesabwesend, auch etwas nassforsch. Im Rahmen ihrer ersten Europatournee hatten „The Doors“ am 6. und 7. September im Londoner Roundhouse vier Konzerte sowie einen Auftritt in der Show „Top Of The Pops“ absolviert.

Eskapaden auf der Orgel

Ein ähnliches Programm stand jetzt in Frankfurt an: Los ging es am 13. September um 10 Uhr vormittags. Auf dem Römerberg wartete schon das Filmteam der ZDF-Jugendsendung „4-3-2-1 Hot & Sweet“. Während die Crew sich mit den Aufbauten beschäftigte, strolchte Jim Morrison über den Platz, nahm die Alte Nikolaikirche ins Visier und trat ein ins frühgotische Gemäuer. Dort posierte er für Fotos vor dem Grabstein Siegfrieds und bestieg forsch die Kanzel.

Unwirsch ermahnte Pfarrer Gerhard Klein den Eindringling. Spontan zückte Morrison fünf Hundertdollarscheine. Nach so großzügiger Spende konnte er sich eine Stunde lang auf der Kirchenorgel austoben. Dann rief wieder die Pflicht: Für Playback-Aufnahmen unter zufälligen Passanten vor dem Römer standen die Songs „Hello, I Love You“ und „Light My Fire“ auf dem Plan.

Eine junge Kurzhaarblondine vom Team gesellte sich dazu, um sich im knappen Minirock zur Musik vom Tonband neckisch zu bewegen. Über Stunden zog sich die Aufzeichnung hin. „Die „Doors“ tranken Wein der Marke „Goldener Oktober“. Drei Takes sowie Nahaufnahmen von Morrison brauchte es, bis „Hello, I Love You“ lippensynchron im Kasten war. Mehrere Anläufe, auch „Light My Fire“ zu konservieren, scheiterten kläglich.

Densmore, Krieger und Manzarek begaben sich später in weiblicher Begleitung zum Shopping in die Innenstadt, derweil blieb Morrison im Hotel Frankfurter Hof, um erst auf seinem Zimmer, später im Hotelgarten Gedichte zu verfassen. Für Samstag, den 14. September, standen dann in der 1994 abgerissenen Kongresshalle (heute Maritim-Hotel) auf dem Messegelände gleich zwei Konzerte an. Eines um 18 Uhr, ein weiteres um 21 Uhr. Eine Karte kostete 18 Mark.

Als Double-Bill mit den befreundeten Blues-Rock-Fundis „Canned Heat“, eröffneten „The Doors“ die erste Show, bei der zweiten wechselten beide Bands die Reihenfolge. Im Publikum befanden sich viele in Frankfurt und Umgebung stationierte G.I.s samt Anhang, die im bedröhnten Zustand für exaltierte Stimmung sorgten.

Recht unterschiedlich bewerteten Augenzeugen die beiden Shows, deren jeweiliges Repertoire sich deutlich unterschied: Von „uninspiriert“, „langweilig“ bis ein „umwerfendes Ereignis“ reichte die Palette. Anders als bei Janis Joplins einzigem Aufritt in Deutschland 1969 in der Jahrhunderthalle, den der HR filmte, gibt es zwar einige Tonaufnahmen, aber keinen Gesamtmitschnitt.

Bei der zweiten Show kam es zu ekstatischen Momenten. Ein aufgekratzter Morrison soll sich an einer Flagge des US-Staates Kalifornien vergriffen und allerlei Unzüchtiges damit getrieben haben. Nach dem offiziellen Ende der Late Show blieben die „Doors“ auf der Bühne, gaben Autogramme – und begannen wieder zu spielen: Blues-Impressionen, „When The Music’s Over“ und – als Höhepunkt – „The End“.

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